So funktioniert unser Wohlfühl-Balance Regler

Endocannabinoide

Endocannabinoide – „Endocanna – was?“, hört man fast den Leser dieser Zeilen sich verwundert fragen. Aber wenn man Endo-cannabi-noide langsam ausspricht, kommt man schnell der Sache auf die Spur:
Es geht um körpereigene, entzündungshemmende, Cannabis ähnelnde Stoffe. Körpereigene Substanzen also, die pharmakologisch betrachtet Cannabis ähnliche Eigenschaften haben, werden Endocannabinoide genannt. Klingt vielleicht noch immer etwas sehr wissenschaftlich, das System als solches ist jedoch im Grunde wie alles Gute ganz einfach.

 

Emotionaler Lautsprecher-Regler

Wie geht das vor sich? Cannabinoide regulieren ähnlich fast wie ein Potentiometer an einer Stereoanlage oder einem DJ-Mischpult schlicht und ergreifend das, was im Gehirn oder Körper zu viel ist. Daher die entzündungseindämmende Wirkung. Oft läuft unser Immunsystem einfach unrund; auch ein Fall für Cannabinoide. Wir haben also auch immer eine gewisse Menge THC in uns, daher -so heißt es oft- werden THC-Drogentests auch nicht auf 0 angesetzt. Verrückt? Ja, aber nicht ganz korrekt, so die befragten Experten; denn die Drogentests könnten sehr wohl zwischen THC und Endocannabinoiden unterscheiden.

 

Bewiesen ist: Endocannabinoide regeln den Transfer unserer Signale und sorgen dafür, dass unsere Neuronen nicht übererregt werden. Bei der Untersuchung von Mäusen wurde bereits bewiesen, dass wenn die Nager zu wenig Cannabinoid-Rezeptoren besitzen, dieses Regeln nicht funktioniert und zu Epilepsie führen kann.

Neuron RezeptorWas ist eigentlich ein Rezeptor?

Vorweg: Ein Rezeptor hat genauso viel mit einem Rezept zu tun wie ein Scheusal scheu ist. „Rezeptor“ bedeutet so viel wie Andockstelle, Aufnehmer oder Empfänger. Diese Rezeptoren sitzen auf der Oberfläche unserer unendlich vielen Zellen. Jeder Rezeptor ist eine Anlegestelle oder Hafen für Botenstoffe, Hormone oder Proteine. Aber nicht jeder Botenstoff passt in jeden Rezeptor. Im Gegenteil: Botenstoff und Rezeptor müssen zusammenpassen -wie im wirklichen Leben. Wenn sie zusammen passen, kommt es zur sogenannten Reaktionsausbildung. Unser Nervensystem bekommt so die entsprechende Information.

Man entdeckte damals zwei Arten von Cannabinoid-Rezeptoren und nannte sie kurz und bündig: CB1 und CB2. CB1-Rezeptoren kommen vorwiegend im Gehirn vor, sowie in den Blutgefäßen, im Fettgewebe, der Leber und in unserem Rückenmark. „Die CB2-Rezeptoren findet man auf Zellen, die am Knochenauf- und abbau beteiligt sind und auf Immunzellen“, so der Experte Professor Dr. Michael Koch vom Institut für Hirnforschung in Bremen.

 

Die logische These war: Diese Rezeptoren in uns sind nicht primär für den Haschischkonsum angelegt. Also begann die Suche nach passenden körpereigenen Botenstoffen, die hier „vor Anker gehen“ -also passen. Und man wurde in den frühen 90er Jahren fündig. Womit bewiesen war, unser Gehirn produziert eigene Cannabinoide. Wer also Cannabis raucht, stimuliert en masse die Rezeptoren, die eigentlich für die körpereigenen Cannabinoide die Andockstellen sind. Nicht vollkommen gesichert, aber sehr wahrscheinlich ist, dass unsere Cannabinoide den „Job“ haben, das Gehirn vor einem Übermaß an zu vielen Reizen zu schützen. Geht das Gleichgewicht verloren, liegt es nahe, dass dies der Grund ist für entweder rauschhafte Entspannung oder für alles, was symptomatisch mit Überreizung zu tun hat. Schlimmsten Falls kann, davon gehen die Forscher heute aus, ein Mangel an Cannabinoid-Rezeptoren nicht nur bei Mäusen zu Epilepsie führen. Es wundert also nicht, dass Cannabispräparate schon heute z.B. Tourette-Patienten helfen. „Auf legalem Wege lässt sich dies heute über einer Verschreibung von Dronabinol oder Sativex regeln“, sagt uns Frau Prof. Dr. Kirsten Müller-Vahl. Sie ist sowohl Neurologin als auch Psychiaterin und führend als Oberärztin an der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover forschend und therapeutisch tätig. „Die Wirkungsweise und die einzelnen Effekte unseres Endocannabinoidsystems sind ganz besonders vielfältig, breit gefächert und bedürfen noch viel weiterer Forschung“, so die Professorin. Trotz dieser sehr breiten klinischen Wirkung ist aber schon jetzt festzuhalten, dass das menschliche Endocannabinoidsystem im engen Kontext mit Stimmung und Stress, Knochen und Tumoren, der Leber, unserem Saugreflex und der Entstehung von Psychosen (Ängste, Traumata, Depressionen, Demenz) steht. Der gemeinsame Nenner ist jedoch noch nicht gefunden. Dies wäre sicher ein echter Durchbruch für Forscher, Therapeuten und nicht zuletzt für unzählige Patienten. Denn schon jetzt ist das therapeutische Wirkungs-Potenzial unseres Endocannabinoidsystems unumstritten. Es ist antispastisch, es wirkt bei psychiatrischen Erkrankungen, ist schmerzlindernd, Brechreiz mindernd, entzündungshemmend und neuroprotektiv. 

 

SPANNEND!
Das bedeutet, ein weiterer Job des Endocannabinoidsystems ist es, buchstäblich unsere Nerven zu schonen, Neuroprotektion also. Nervenzellen und Nervenfasern werden geschützt und vor dem Absterben bewahrt, was bei Krankheitsverläufen das so oft hohe Tempo herausnimmt und die Lebensqualität des Patienten verbessert.

Es fehlen natürlich wie so oft die Gelder. Was ferner hinderlich ist, ist die geringe Förderquote von Bund und Wirtschaft von jeweils unter 5 %. „Allein eine neue Studie mit nur 100 Patienten benötigt in etwa 1.5 Millionen Euro. Dem gegenüber stehen sicher viele Milliarden Euro an Einsparungen, wenn man größer und nachhaltiger denken würde. Das klingt zwar spekulativ, ja, aber natürlich bedeutet verbesserte Lebensqualität eine Einsparung von direkten und indirekten Kosten in immenser Höhe“, so Prof. Müller-Vahl.

 

Cannabis selbst ist ja schon jetzt im Einsatz zum Beispiel gegen vielerlei Schmerzen, insbesondere gegen neuropathische Schmerzen (Schmerzen, die durch in Mitleidenschaft gebrachte Nerven entstehen). Außerdem ist bereits heute Cannabis im Einsatz für Krebspatienten gegen Übelkeit und Erbrechen bei Chemotherapien und es lindert Spastik bei MS. Die Palette ist lang, noch länger ist die Liste der vermuteten und noch weniger gesicherten positiven Wirkungsfelder von Cannabis und damit letztlich auch von unseren Endocannabinoiden: Selbst Epiliepsie, Parkinson, Haut, Darm, Schlaf und Haare sollen sich positiv beeinflussen lassen; insgesamt tut sich die Frage auf, ob Endocannabinoide nicht auch mit unserem Alterungsprozess zu tun haben. Liegt hier vielleicht sogar der „Anti-Aging-Schalter“ in uns und der älteste Traum der Menschheit könnte wahr werden? „In jedem Fall, das ist gesichert“, so der erfahrene Spezialist Prof. Beat Lutz aus Bern mit einem Augenzwinkern, “hat dieses Thema ein riesiges Potential und diese kleinen Endocannabinoide haben mich richtig süchtig gemacht. Wir bleiben dran“.

 

ICH ERST RECHT

FÜR DICH, FÜR SIE, FÜR ALLE BETROFFENEN !